Rede zur Eröffnung der Ausstellung im Städtischen Museum Rosenheim "Karl Prokop 1914-1973 Das Frühwerk" 21. Mai 2014, von Dr. Evelyn Frick Sehr geehrte Damen und Herren! Erinnerungen. Ein freundlicher, älterer Herr - uns 14- oder 15-jährigen erschien damals naturgemäß ein Endfünfziger uralt - mit üppigen, silbergrauen Haarwellen, gekleidet im obligatorischen Zeichenmantel. Wir befinden uns am Rosenheimer Karolinen-Gymnasium, zu Beginn der 1970er Jahre und nur Mädchen durften damals die Schule besuchen. Männliche Lehrkräfte hatten wir aber durchaus und so eben auch Karl Prokop, der uns im Kunstunterricht auf seine ruhige, konzentrierte Art einiges von dem, was ihm wichtig war, vermitteln wollte. Da schufen wir Linolschnitte, Karl Prokop war ein Meister dieser Technik, und eine Wasserfarben- Ansicht des Herbstfestes sollten wir durch einzelne Farbfelder strukturieren. Im Nachhinein erkenne ich jetzt, dass das das Verfahren war, mit dem Prokop ab 1951 seine Aquarelle aus dem Süden gestaltete. Doch 1951, da sind wir schon in der späteren Werkphase des Künstlers, die bereits vor einigen Jahren umfassend in einer Ausstellung in der Städtischen Galerie gewürdigt wurde und wo dargestellt wurde wie Prokop zusammen mit seinen Freunden Leo von Welden, Hans Waiblinger, Heinz Wipper, Heinz Kaufmann und anfangs noch Heribert Losert einen künstlerischen Neuanfang nach den bitteren Erlebnissen des Zweiten Weltkriegs suchte und fand. Diese Ausstellung ist nun dem Frühwerk gewidmet und so lassen sie uns genau 100 Jahre zurück blicken. Da wurde am 8. Oktober 1914 im Sudetenland, genauer in Zwickau, dem heutigen tschechischen Cvikov und nicht zu verwechseln mit dem sächsischen Zwickau, Karl Prokop geboren. Er war nach Rudolf und Trude das dritte Kind des Schneiders Karl Prokop und seiner Frau Pauline. Fünf Jahre später sollte noch die Schwester Herta folgen. Dieses nordböhmische Zwickau ist heute noch ein kleiner Ort und liegt in der Luftlinie nur zehn Kilometer südlich der Grenze zu Deutschland. Zwickau entstand im Mittelalter an der Südseite des Lausitzer Gebirges, an einer alten Handelsstraße, die von Prag nach Zittau führte. Zwickau gehörte damals, der Erste Weltkrieg, an den heuer vielfach erinnert wird, war gerade ausgebrochen, zur k. und k. Monarchie Österreich-Ungarn. Die Bevölkerung war mehrheitlich deutschstämmig, auch in der Familie Prokop wurde deutsch gesprochen, und arbeitete überwiegend in der Textil- und Glasindustrie. Das Einkommen von Vater Prokop als selbständigem Schneider reichte zu einer Zeit, als Kleidung noch kaum fertig von der Stange gekauft wurde, zum Leben, war aber doch bescheiden. Als Karl Prokop noch keine zehn Jahre alt war, starb seine Mutter mit erst 38 Jahren. Ein traumatischer, schwerer Verlust. Die Berufswahl des noch nicht Fünfzehnjährigen entsprach den wirtschaftlichen Schwerpunkten seiner Heimatregion und so besuchte er im nahen Haida, dem heutigen Nový Bor, die renommierte Staatsfachschule für die Glasindustrie. Hier durchlief er die dreijährige Ausbildung zum Glasmaler, Graveur und Entwurfszeichner. Auf der Glasfachschule in Haida hatte Karl Prokop einen gleichaltrigen Mitschüler, der schnell zum Freund wurde: Walter Scharf. Scharf hatte einen höheren Anspruch ans Leben, sein Ziel war die Kunstakademie in Prag. Sein Freund Karl sollte aber mitkommen und so bearbeitete er ihn so lange bis er einwilligte. Dieser Entschluss fiel dem Achtzehnjährigen nicht leicht, denn sein Vater konnte das Studium nicht finanzieren. Doch Prokop hatte Glück, er erhielt ein Stipendium bewilligt und so konnten die beiden Freunde nach Prag. Als Stipendiat durfte Karl Prokop kostenlos im barocken Palais Waldstein auf der Kleinseite wohnen. Nun, natürlich nicht in den Prunksälen der umfangreichen Palastanlage, die sich kein geringerer als der bekannte Feldherr Wallenstein erbauen hatte lassen, sondern in einem der zahlreichen Dienerzimmer in einem Nebentrakt. Da Scharf und Prokop hervorragende Zeichner waren, bot sich die Graphikklasse an und bald waren die beiden in der Meisterklasse des allseits beliebten, aber auch strengen Professors Heinrich Hönich. Hier herrschten klare Regeln. Wer zu oft fehlte, wurde rausgeschmissen. Lob gab es kaum, denn Hönich hatte die Devise "Loben kann Sie Ihre Großmutter auch!". Bei Hönich wurde konzentriert gearbeitet und viel gelernt. Prokop erhielt während seiner Studentenzeit mehrere Akademiepreise und wurde 1940 noch Träger des Sudetendeutschen Förderpreises für bildende Kunst. Karl Prokop konnte sich seit Schülertagen ein willkommenes Zubrot mit Illustrationen zu kleinen Bildergeschichten rund um die Kinder Wulf und Agathe für die wöchentliche Kinderseite der Haidaer Zeitung verdienen. Ansonsten war das Geld knapp. Walter Scharf, dieser alte Bonvivant, verführte seinen Freund Karl zu allem Überfluss noch zum Rauchen und der Ertrag aus so manchem Bilderverkauf wurde in den Prager Lokalen versoffen. Humorvoll schilderte Prokop im Rückblick wie sie sich als Studenten im geliehenen Smoking unter die geladenen Gäste im Palais Waldstein mischten und am kostenlosen Buffet und an der Theke schadlos hielten. Die atmosphärisch dichten Bilder in der Ausstellung nehmen uns mit auf die Lebensstationen des Künstlers. Da sehen wir Prag mit seinen engen, alten Gassen, den Barockgarten des Palais Waldstein und das Sträßchen daneben mit dem Blick auf den Veitsdom auf dem Hradschin und das verwunschene Alchimistengässchen auf der Burg. Aber auch einige, wenige Landschaftsbilder aus dieser frühen Zeit haben sich erhalten wie das Riesengebirge, wo schon der Romantiker Caspar David Friedrich malend und zeichnend unterwegs war, oder das Isergebirge. Landschaften spielten im Werk von Prokop stets eine konstante Rolle und so fand sein Schaffen nach dem Krieg Fortsetzung mit dem Wendelstein, der Kampenwand, dem Kaisergebirge oder dem Blick über den Simssee. 1938 hatte Prokop sein Studium an der Akademie beendet und wirkte als freischaffender Künstler in Prag. Im gleichen Jahr wurde auf der Grundlage des "Münchner Abkommens" die erst seit 20 Jahren bestehende Tschechoslowakei zerschlagen und das Sudetenland dem Deutschen Reich einverleibt. Es ist hier nicht der Ort, um auf den nun folgenden Zweiten Weltkrieg mit seinen einzelnen Feldzügenund Kriegsverläufen näher einzugehen. Auch lassen sich die Stationen des Luftwaffen-Gefreiten Prokop, der sich der Einberufung nicht entziehen konnte, aber nie ein begeisterter Soldat war, nur vage rekonstruieren. Die Bilder des Künstlers sprechen für sich. Sie zeigen Olmütz in Mähren, wo Prokop ab 1941 die Grundausbildung ableisten musste. Dann ging es weiter über Budapest, wo das Plakatmotiv mit der Hanomag-Zugmaschine im Bahnhof entstand, über die Ukraine mit dem Bahnknotenpunkt Rasdelnaja auf die Krim. Aquarelle halten zerschossene Gebäude und die Umgebung der Hauptstadt Simferopol fest, deren Name heute wieder ganz aktuell in den Nachrichten erscheint. Zu dem Aquarell "Bucht von Jalta" wird überliefert, dass sich der Maler ärgerte, weil es so heiß war und die Farbe viel zu schnell trocknete. Öfters porträtierte Prokop Vorgesetzte. Das brachte Naturalien und kleine Vergünstigungen. Im Winter 1942/43 war Prokop bereits in Tunesien und die Aquarelle zeigen auch hier Szenen fern des Kampfgeschehens: ein Messerschmitt Flugzeug, die Feldküche und das Haareschneiden. Heroisches lag dem Maler stets fern. Auffallend ist hier wie im gesamten Werk des Künstlers seine genaue Beobachtungsgabe und die adäquate und präzise Umsetzung technischer oder architektonischer Details im Bild. Es muss wohl Anfang Mai 1943 gewesen sein, als die Lage immer bedrohlicher wurde und sich Prokops Fliegerstaffel von Tunesien übers Mittelmeer ins nahe Sizilien zu retten versuchte. Prokop stieg als letzter in die Maschine, es gab keinen Fallschirm mehr für ihn. Als sich ein englischer Jäger näherte, fürchtete er den Abschuss und den Sturz in den sicheren Tod. Doch der Jäger drehte ab. Auf dem Flugfeld von Trapani auf Sizilien erlitt Prokop eine schwere Wunde am Bein durch alliierte Fliegerangriffe mit Splitterbomben. Er kam nach Neapel zur Erstversorgung und dann ins Paulusheim nach Neuötting zur weiteren Behandlung. Doch Hitler-Deutschland konnte noch immer nicht auf den Künstler verzichten und so musste er zurück nach Italien und dann auf den Balkan, wohl nach Rumänien. Das Kriegsende erlebte Prokop im Bayerischen Wald. Ein Fahrer der Wehrmacht hatte seinen Laster vollgeladen mit Soldaten und sie vom Balkan herauf transportiert. Spätestens jetzt ist es Zeit über Gertrud Prokop zu sprechen. Seit August 1943 nämlich war der Künstler mit der feschen, damals erst 22 Jahre alten Wahl-Münchnerin aus gutem Hause verheiratet. Kennengelernt hatten sich die beiden über gemeinsame Freunde, die das richtige Gefühl hatten. Die beiden Kunstbegeisterten passten wirklich hervorragend zusammen. Zur Verlobung hatte Gertrud das Ölbild "Olmütz" erhalten, das sie in der Vitrine sehen. Zu Fuß machte sich Karl Prokop also vom Bayerischen Wald auf nach München zu seiner Frau. Unterwegs stoppte ihn in Niederbayern eine amerikanische Patrouille und er kam in ein US-Kriegsgefangenenlager. Nach einer Woche schon wurde der Obergefreite der Luftwaffe, der nie als Pilot selber geflogen war, aber sehr wohl regelmäßig mitflog, als unbelastet wieder entlassen. Zu Fuß marschierte er weiter nach München und in die Türkenstraße. Hier im Haus Nr. 50 hatte seine Frau Gertrud gewohnt, doch das Haus war wie so viele in der Isarmetropole ausgebombt. Von Nachbarn erfuhr der Kriegsheimkehrer, dass seine Frau nicht unter den Opfern war. Sie lebte schon seit einigen Monaten mit ihrer Mutter und den beiden Schwestern in Rosenheim, um dem Bombenkrieg in München zu entgehen. Gertrud Prokop hatte familiäre Bindungen in die Innstadt, wo sie bis 1936 gelebt hatte. Ihre Mutter Rosa war gebürtige Rosenheimerin, ihr früh verstorbener Vater Heinrich Höhnle hatte als Altphilologe am Ignaz-Günther-Gymnasium unterrichtet. Ihre Großmutter Rosa Woerndle hatte als Mädchen im Sontheim-Haus gewohnt und so in der Nachbarschaft ihren zukünftigen Mann kennen gelernt, den Besitzer der Marien-Apotheke am Max-Josefs-Platz, den Apotheker und Pharmazeuten Dr. Heinrich Rothdauscher. Dessen abenteuerliches und unstetes Leben, das ihn aus dem niederbayerischen Mallersdorf bis auf die Philippinen führte, wäre einen eigenen Vortrag wert. 1910/11 hatte sich Heinrich Rothdauscher, der 1937 hoch betagt in Rosenheim verstorben war, in der Herbststraße 23 eine schmucke Jugendstil-Villa erbauen lassen, in deren Räumen waren nun nach Kriegsende ganze Flüchtlingsfamilien einquartiert. Gertrud und Karl, der mittlerweile aus München zu Fuß eingetroffen war, mussten sich vorerst mit einem unbeheizten Zimmer im Dach begnügen. In den ersten Nachkriegsmonaten war Karl Prokop schwer niedergeschlagen und wollte nicht mehr malen. Es war seine Frau Gertrud, die ihn durch eigene Blumenzeichnungen wieder an die Kunst heranführte. Er griff das Motiv selbst auf, sie sehen in der Ausstellung eines dieser frühen Blumenbilder, und fand so neuen Lebensmut und Schaffenskraft. Zu Fuß und mit dem Radl begann Karl Prokop sich Rosenheim und seine Umgebung künstlerisch zu erschließen und so entstanden realistische Momentaufnahmen, deren vorgebliche Idylle nur an wenigen Punkten aufgebrochen wird. So bei der Warteschlange vor dem kleinen Gemüsegeschäft links am Schuh-Reindl Haus. Wenn um fünf Uhr morgens die Ausgangssperre aufgehoben war, marschierte nicht nur Gertrud Prokop los, um sich für wenige Lebensmittel anzustellen. Im Advent 1945 konnte Karl Prokop bereits in den Räumen des kleinen Schmuckgeschäftes von Fräulein Fastlinger im Fastlinger-Haus eine Ausstellung seiner neu entstandenen, noch durchaus realistisch gemalten Werke präsentieren, die gleich ein großer Erfolg wurde. Das rare Papier hatte er durch eine Bekannte bei der Papierfabrik Niedermeier erhalten. Schnell hatte Prokop beim Kunstverlag Berchtenbreiter in der Nikolaistraße eine Anstellung als Zeichner gefunden. Hier arbeitete er bis zur Währungsreform 1948 und vermied so, zum Schuttschaufeln am Bahnhof verpflichtet zu werden. Durch Alois Gartner, den er als Kollege bei Berchtenbreiter kennen gelernt hatte, und die Kolpingsfamilie erhielt Prokop weitere Unterstützung, Förderung und Ausstellungsmöglichkeiten. Schon bald stellte sich der berufliche Erfolg wieder ein und Auftragsarbeiten folgten. Im Oktober 1946 hatte Karl Prokop mit Unterschrift von Bürgermeister Hubert Weinberger die "Betriebserlaubnis" als Kunstmaler und Graphiker in Rosenheim erhalten. Sie haben richtig gehört, der freie Künstler bedurfte einer Gewerbegenehmigung wie ein Betrieb oder eine Firma. Besonders hingewiesen wird in dem Schreiben, Sie können es in der Vitrine sehen, auf die Einhaltung aller Gesetze und Vorschriften der alliierten Militärregierung und der deutschen Behörden. Eine Zuteilung von Wohn- oder sonstigen Räumen ist mit dem Bescheid nicht verknüpft; ein deutlicher Hinweis auf die Wohnraumknappheit dieser Zeit. Sehr begehrt bei der Rosenheimer Künstlerschaft war das Kunst-Fenster der Fa. Gietl im Gietl-Haus am Ludwigsplatz. Die strenge Auswahl für die kleinen Präsentationen nahm Professor Leonhard Baumgartner vor. Nur zögerlich war er bereit, Künstler zu zeigen, die wie Prokop ihre "Ausbildung an einer ausländischen Kunstschule" absolviert hatten. Dass sich vom Frühwerk vor 1945 überhaupt Bilder erhalten haben, ist zum Großteil Gertrud Prokop und ihrer Mutter zu verdanken, die diese ausgewählten Werke nach Rosenheim mitgenommen hatten. In Prag hatte Karl Prokop seit der Einberufung 1941 keine Wohnung mehr und in München war alles Opfer der Bomben geworden. Ab und zu wird ein frühes Prokop-Bild heute im Internetangeboten. Es handelt sich entweder um Bilder, die auf Ausstellungen verkauft wurden oder um Bilder, die die Studenten damals auf der Prager Akademie untereinander tauschten. So kam das Porträt, das Walter Scharf von seinem Künstlerfreund gezeichnet hatte, in den Besitz der Familie Prokop. Da die Deutschstämmigen nach dem Krieg die Tschechoslowakei verlassen mussten, gab es für die früheren Professoren und ehemaligen Studenten der Akademie kaum ein Zurück nach Prag. Die beiden Fluchtmöglichkeiten zeigen exemplarisch persönliche Schicksale aus der Familie Prokop. Der Vater Karl Prokop floh nach Norden in die spätere DDR, wo er 1954 verstarb. Der Bruder Rudolf Prokop kam nach der Kriegsgefangenschaft nach Bayern und baute sich in Rosenheim bei der Fa. Werndl eine neue Existenz als Schreiner und Lehrlingsausbilder auf. Von den Akademiefreunden verschlug es Otto Bertl nach Ostberlin, Alfred Pilz nach Dresden und Will Schestak nach Chemnitz. Oskar Kreibich fand in Backnang bei Stuttgart einen Neuanfang, Erhard Astler in Isny im Allgäu, Max Geyer in Offenbach am Main, Max Zeschitz und Hannes Weikert in und bei Regensburg. Josef Vietze landete in Bischofswiesen, Professor Heinrich Hönich in Gstadt am Chiemsee und die Witwe von Otto Meckel mit ihren drei Söhnen in Rosenheim. Ach ja, Karl Prokop und sein alter Freund Walter Scharf begegneten sich nach dem Krieg zufällig auf der Straße in Rosenheim wiederund setzten ihre Freundschaft fort. Drei Kinder, Walther, Gisa und Gerhard, waren mittlerweile den Prokops geboren worden und Karl Prokop musste als freischaffender Künstler breit aufgestellt sein, um die Familie versorgen zu können. So gestaltete er Buchumschläge, wie z. B. 1954 den Band der Kunstdenkmäler Rosenheims von Peter von Bomhard, und Illustrationen für Verlage; unterrichtete ab Anfang der 1960er Jahre an der Volkshochschule, kurz am Ignaz-Günther-Gymnasium und länger bis zu seinem Tod Ende 1973 am Karolinen-Gymnasium. Mit einer eigenen Tafel möchte diese Ausstellung einen Bereich ansprechen, der in den 1950er und 1960er Jahren maßgeblich bei der Gestaltung von Gebäuden war, die sogenannte Kunst am Bau. Ich meine damit nicht eine Skulptur oder einen Brunnen, die vor ein Gebäude gestellt werden. Ich meine damit eine direkte Wandgestaltung, also Bildwerke, die direkt auf der Fassade oder im Inneren angebracht wurden und somit unlösbar mit dem Gebäude verbunden sind. Gerade diese Kunstwerke sind heute auf das stärkste gefährdet durch Umbau, Wärmedämmung oder Abriss. Im aktuellen Heft des Hauses der Bayerischen Geschichte zum Thema "Bauen für Bayern" widmet Klaus von Gaffron der "Kunst am Bau" einen eigenen Aufsatz. Ich zitiere daraus: "Kunst am Bau ist eine Notwendigkeit und stellt einen bedeutenden Mehrwert für den Nutzer eines Gebäudes, für Mitarbeiter und Besucher sowie für die Öffentlichkeit dar. Künstlerische Positionen und Kunstrichtungen verbleiben nicht in Museen und Galerien, sondern werden dauerhaft in den öffentlichen Raum gestellt. Hoch gegriffen, könnte man von einer ästhetischen Erziehung der Bevölkerung sprechen, die mit dieser "Raumöffnung" verbunden ist." Karl Prokop hat bei der "Erziehung des Menschengeschlechts" - um einen Begriff von Lessing zuverwenden - eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Seine Wandbilder im Treppenhaus und im Studienzimmer des Ignaz-Günther-Gymnasiums, entstanden ab 1961, vermitteln, passend für diese humanistische Bildungsstätte, Inhalte um den klassischen Helden Herakles und aus den großen Epen des Abendlandes: Homers Odyssee, Vergils Aeneis und dem Parzival des Wolfram von Eschenbach. 2006 wären die großformatigen Wandbilder im Treppenhaus fast der damaligen Renovierung des Gebäudes zum Opfer gefallen. Ein Maler hatteschon begonnen sie zu überstreichen und nur dem beherzten Eingreifen von Gerhard Prokop ist ihre Rettung, Restaurierung und Bewahrung zu verdanken. "Wege der Frau zu Wissen und Beruf" ist das Thema des Wandbildes im Eingangsbereich des Karolinen-Gymnasiums, das 1969 zum Wiedereinzug in das ursprüngliche Schulgebäude von Karl Prokop angebracht wurde und das einige Jahre den Jahresbericht zierte. In der Auswahl dieses Themas können wir durchaus die Handschrift der späteren Direktorin Frau Dr. Maria Miehle erkennen. Doch nicht alles hat sich erhalten. Abgerissen wurden, und damit gingen auch die Gestaltungen von Karl Prokop verloren, zum Beispiel die Poststuben in Prien oder die alte Rosenheimer Stadtbücherei am Anger. Ungewiss ist die Zukunft des Wandgemäldes in den jetzt leer stehenden und zur Vermietung ausgeschriebenen Räumen der ehemaligen Volksbankfiliale in Kolbermoor. Wie schön ist es da, wenn wie bei der derzeitigen Erweiterung und dem Umbau des Berufsschulzentrums in Bad Aibling der Erker, den Prokop 1955 mit einem Sgraffito zum Thema "Berufe" gestaltete, trotz Wärmedämmung original erhalten bleibt. Kunst als Identifikationsstifter für ein Schulgebäude. Für 2016 ist der Abriss des Bettenhauses zwei des Klinikums Rosenheim geplant. Hier befindet sich seit 1965 die katholische Krankenhauskirche St. Kassian mit den großformatigen und ausdrucksstarken Glasfenstern von Karl Prokop. Diese beeindruckenden Fensterbänder sind so prägend für die Innenraumgestaltung und werden so geschätzt, nicht nur von unserer Oberbürgermeisterin Frau Gabriele Bauer, dass sie auch im Neubau wieder das wesentliche Gestaltungselement werden sollen. Also sollen die von der Mayer'schen Hofkunstanstalt in München aufwändig gefertigten Gläser ausgebaut, zwischengelagert und im Neubau wieder eingesetzt werden. Für 2018 ist die Neuweihe von St. Kassian geplant und nicht nur ich bin auf die Neugestaltung sehr gespannt. Karl Prokop hatte die Fenster mit dem durchaus abstrahiert aufgefassten Thema "Lobgesang der drei Jünglinge im Feuerofen" genau auf die Höhe und die Fernwirkung konzipiert. Um dies während der Entwurfsphase überprüfen zu können, fertigte er von einem Fensterteil einen Karton im Maßstab eins zu eins an und hängte ihn vom Balkon seines Wohnhauses in der Herbststraße. Dann stellte er sich in den Garten und nahm alles genau in Augenschein, um eventuell Korrekturen anbringen zu können. Wenn Sie, liebe Besucher, heuer auf dem Herbstfest auf der Suche nach einem Platz durch das Flötzinger Zelt schlendern, dann werfen Sie doch einmal einen Blick auf die Malerei am Küchenbau. Wer kann sich noch an die beiden Barockbayern erinnern, den Festwirt Partenhauser und den Braumeister, die Karl Prokop 1959 einander zuprosten ließ? Ein Wanddurchbruch hat die Darstellung der beiden leider vernichtet. Prokops Spezialität war die in den 1950ern und 1960ern beliebte Technik des Sgraffito, also des Kratzputzes. Mehrere eingefärbte Putzschichten wurden dabei von einem Maurer zügig übereinander aufgetragen. Dann wurde der Entwurf vom Künstler durchgepaust. Und nun musste schnell gekratzt werden solange der Putz noch nicht fest geworden war. Alles, was man nicht haben wollte, musste schichtenweise wieder abgetragen werden, bis schließlich das Wandbild übrig blieb. Ein Foto, auf unserer Tafel ganz links oben, zeigt den stolzen Schöpfer vor seinem Werk am Kindergarten in der Kaiserstraße. Da das aufwändige Kratzen stets unter Zeitdruck stand, durfte die ganze Familie Prokop dabei helfen. Überhaupt war die Familie zur rechten Zeit eingespannt in den Werkprozess. Die beiden großenTücher für den Hauptaltar von St. Nikolaus, das Adventstuch und das Fastentuch, gestaltete und nähte Gertrud Prokop nach den Entwürfen ihres Mannes in der anspruchsvollen Technik der Textil- Applikation zu Hause auf dem Wohnzimmerboden. Kurz möchte ich noch Ihre Aufmerksamkeit auf die einzige aus Prokops Schaffen erhaltene Farbradierung lenken. Dieses Blatt aus dem Jahre 1935 ist meisterhaft und fand damals schon Erwähnung in der Presse. Es zeigt den mächtigen Wurzelballen eines umgestürzten Baumes. Im Rückblick erscheint dieses Motiv symbolhaft für sein Leben. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen hatten auch ihn entwurzelt, in Rosenheim und im Kreise seiner Familie fand er wieder eine neue Heimat und neuen Halt. Überhaupt empfehle ich Ihnen einen konzentrierten Rundgang durch die Ausstellung. Auf jedem Bild können Sie etwas entdecken.Ich möchte nicht schließen ohne einen besonderen Dank. Zunächst ein ganz großes und liebes Danke an Dieter Krelle, der mit seinem handwerklichen Können und seinem feinen Gespür als Künstler für Raum und Gestaltung dieser Ausstellung ein ganz besonderes Gesicht gegeben hat. Dann möchte ich den Enkeln Clemens, Johannes und Nick Prokop danken. Sie haben eine faszinierende und witzige Videocollage geschaffen, die das kreative Potential zeigt, das in dieser Familie liegt. Sie können das Video in der Ausstellung sehen. Des weiteren möchte ich danke sagen an Gertrud und Gerhard Prokop. Ohne ihre Mithilfe, ohne ihre Unterstützung, ohne die langen Gespräche mit ihnen, hätte ich diese Rede nie schreiben können. Vieles von dem, was ich Ihnen gerade erzählt habe, wurde noch nie schriftlich festgehalten, geschweige denn veröffentlicht. Vielen Dank. |
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